"Unsere Frage ist der Osten". Representations of the Occupied East in German Soldier Newspapers, 1914-1918

Document Type

Article

Publication Date

2002

Publication Title

Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung / Journal of East Central European Studies

Volume

51

Issue

4

First Page

500

Last Page

528

Abstract

Im Jahre 1915, als Deutschland seine Kolonien verlor und unter britischer Seeblockade stand, gewann die deutsche Armee ein riesiges „Kolonialgebiet" im Osten Europas. Mit der erstmaligen Errichtung eines wirklichen deutschen „Kolonialreichs" war der Übergang von einer Welt- zu einer Osteuropapolitik verbunden. Die zwei bis drei Millionen deutschen Soldaten und Beamten, die während des Krieges in diesen Gebieten stationiert waren, nahmen gegenüber der einheimischen polnischen, litauischen und weißrussischen Bevölkerung eine Haltung ein, die man als kolonialistisch bezeichnen könnte. Dies mag den ohnehin schon chauvinistischen Blick der Deutschen auf die Völker in Osteuropa verstärkt haben. Um diese Perspektive besser zu verstehen, können deutsche Soldatenzeitungen, von Armeeangehörigen sowohl gelesen als auch verfaßt, herangezogen werden. Diese zumeist kostenpflichtigen Feldzeitungen waren bei den Truppen sehr populär, und die überwiegende Mehrheit der deutschen Soldaten im Ersten Weltkrieg hat sie gelesen oder zumindest gekannt. Daher sind, wenngleich die Zeitungen sowohl offizieller als auch der Selbstzensur unterlagen, die dort erschienenen Mitteilungen als ein wichtiger Bestandteil des soldatischen Diskurses im Ersten Weltkrieg anzusehen. Im Hinblick auf die angesprochene Perspektive ergibt sich folgendes Bild: In den Soldatenzeitungen wurde eine „Rangordnung" der Bewohner Osteuropas thematisiert. Verbündete Deutschlands, wie die Bulgaren, oder mögliche künftige Bündnispartner gegen die Russen, wie Litauer und Ostjuden, wurden oft positiv dargestellt und wesentlich besser behandelt als die als politisch unzuverlässig geltenden Polen oder der Hauptfeind, die Russen. Während jedoch die Soldatenzeitungen an der Westfront durch eine mehrdeutige Haltung gegenüber den Franzosen und deren Kultur gekennzeichnet waren, herrschte in den Ostzeitungen dennoch zugleich Übereinstimmung, daß fast alle Slawen gewissermaßen „kulturlos" seien und unter deutscher Hegemonie verbleiben sollten.

DOI

10.25627/20025147878

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